Das Thema Babys tragen und Babytragen ist für mich eine Herzensangelegenheit. So oft sehe ich Eltern Tragen benutzen, bei denen es mir kalt den Rücken runter läuft. Damit mir das bei euch nicht passiert, sollte ich euch mal am Berg begegnen, schreibe ich hier ein paar Sätze zum Thema Babytragen.
Es gibt nicht die EINE Trage, so unterschiedlich der Körperbau ist, so unterschiedlich sind die Tragen und entweder Frau/Mann und Trage passen zueinander oder eben nicht. Und dieses eben nicht ist sehr schade, ist das Tragen doch eine wunderschöne Sache, die die Bindung zwischen Eltern und Kind stärkt.
Jedoch: Meiner Meinung nach ist eine Trageberatung unumgänglich! Ich bin keine Trageberaterin und gebe hier lediglich meine Erfahrung nach bestem Wissen und Gewissen weiter.
Inhalt
Wie ich zur Tragemama wurde
Unter der Woche benutze ich den Kinderwagen so gut wie gar nicht und das von Anfang an. Das hätte ich mir vor der Geburt meines Sohnes nicht vorstellen können. Und ich würde es vermutlich auch nicht tun, müsste ich nicht täglich mit den Hunden laufen gehen. Da unsere Gassirunden durch Wald und über Wiesen führt, kommt hier unser Kinderwagen an seine Grenzen. So war schon vor der Geburt meines Sohnes klar, ich werde ihn die meiste Zeit tragen “müssen”.
Voller Euphorie bin ich damals schwanger, kaum dass ein Bauch sichtbar war, in den nächsten Babyladen und fand es toll, dass es dort auch eine Trage gab, bei der das Baby nach vorne schauen kann. Da sieht es ja so richtig viel von seiner Umgebung. Grusel, grusel. Gut, dass ich noch so früh dran war, denn meine Recherchen im Internet und in diversen Facebookgruppen ergab, dass ich darum lieber einen riesigen Bogen machen sollte. Wenn ich heute daran denke, kann ich nur den Kopf schütteln.
Viel später, mein Sohn war etwa fünf Monate alt, begab ich mich in ein Fachhandel für Tragen in Nürnberg. Auf die Frage einer Mutter, ob sie ihr Kind denn auch nach vorne schauen lassen könne, meinte der Verkäufer: “Klar, das können Sie schon, wenn Sie Ihr Kind quälen möchten.” So hart es klingt, es ist so wahr. Aber dazu später mehr.
Warum das Tragen das Natürlichste der Welt ist
In der Tierwelt wird der Nachwuchs in drei Kategorien unterteilt: Den Nesthocker, den Nestflüchter und den Tragling.
Mit Nesthocker sind beispielsweise verschiedene Vogelarten gemeint. Sie schlüpfen in ihrem Nest und werden dort von einem oder beiden Elternteilen umsorgt. Der Nestflüchter ist das typische Fluchttier. Fast sofort nach der Geburt steht das Neugeborene auf seinen wackeligen Beinen und sorgt für sich selbst (beispielsweise die Schildkröte) oder lebt im Schutz der Herde und kommt meist nur zur Mutter, um zu trinken.
Zu den Traglingen darf sich schlussendlich der Mensch zählen. In grauer Vorzeit diente sein ausgeprägter Greifreflex dem Baby sich an unseren haarigen Vorfahren festzuklammern. Die Haare am Körper schwanden, der Greifreflex blieb. Und ein weiterer Reflex blieb. Sobald das Baby hochgehoben wird, beugt es seine Gliedmaßen in eine Anhockhaltung, in freudiger Erwartung, getragen zu werden. Manche (viele!) Babys fangen sogar an zu weinen, sobald sie abgelegt werden. Auch das ist auf einen Urinstinkt zurückzuführen. Es protestiert und weint, sobald es nicht mehr auf dem Arm liegt, denn es weiß ja nicht, dass es seine Mutter nicht in einer Höhle vergessen hat, wo ihn das nächste Raubtier zum Frühstück verspeist, sondern wohlbehalten auf der Krabbeldecke oder in seinem Bettchen liegt.

Umso besser ist es doch, dass wir in der heutigen Zeit auf Hilfsmittel zurückgreifen können, die den Bedürfnissen unserer kleinen Traglinge gerecht werden und wir sie ganz nah an unserem Körper tragen können. Hierbei ist es essenziell, den Bauch des Kindes zum eigenen Körper gewandt zu haben. Möchte es später mehr von der Welt sehen, kann es auf dem Rücken getragen werden. So hat es immer die Möglichkeit, sich von den Reizen, die auf es einströmen, abzuwenden, indem es sein Gesicht in die Brust oder an den Rücken des Tragenden schmiegt. Diese Möglichkeit wird ihm verwehrt, sollte es mit der Blickrichtung nach vorne, weg vom Tragenden getragen werden.
Anhock – was?? Die Anhock-Spreiz-Haltung
Und hier sind wir auch schon beim nächsten Punkt: Die Anhock-Spreiz-Haltung. Nimm doch einmal dein Baby hoch, es wird mit den Beinen sofort in eben diese Position gehen. Die Beine sind angewinkelt und nach oben gezogen. Bei einer Trage, die die Anatomie des Kindes respektiert, werden die Knie des Kindes etwa auf dessen Nabelhöhe gebracht und leicht abgespreizt. Beine und Po sehen aus, als würden sie ein großes M formen. Die Hüfte kippt leicht nach vorne und das Kind kann einen Rundrücken machen. Zudem geht der Steg zwischen den Beinen von Kniekehle zu Kniekehle. Die Anhock-Spreiz-Haltung und damit die natürliche Position des Traglings ist gewährleistet.
Bei Babytragen mit der Sicht nach vorne und/oder einem zu schmalen Steg zwischen den Beinen (nicht von Kniekehle zu Kniekehle), kann dies nicht gewährleistet werden. Dem Kind wird das Runden seines Rückens verwehrt und das Gewicht des Traglings kann sich nicht adäquat in der Trage verteilen. Das Kind sitzt tatsächlich auf seinem Geschlechtsteil und das mitunter über Stunden.

Sobald das Kind seinen Kopf gut selbst halten kann und etwa sechs Monate alt ist (bitte: Jedes Kind ist anders. Dies ist nur ein Richtwert, manche Kinder sind früher dran, andere brauchen länger. Alles ist völlig in Ordnung!), ist es bereit, auf dem Rücken getragen zu werden. Bei uns war es ganz eindeutig, wann der kleine Mann auf den Rücken wollte. Mitten im Wald wollte er sich immer wieder in seiner Trage umdrehen, um zu sehen, wohin wir liefen. Er wurde dann auch etwas ungehalten. Beim nächsten Spaziergang probierten wir es aus und seit diesem Augenblick will er partout nicht mehr vor meinen Bauch getragen werden.
Im Urwald der Tragehilfen
Wie eingangs erwähnt, gibt es unzählige Tragehilfen. Vom Tuch über die Fullbuckle, Halfbuckle, Ringsling, Mei Tai und wie sie alle heißen. Ich gehe hier nicht auf die einzelnen Tragehilfen ein, denn jeder sollte meiner Meinung nach selbst ausprobieren, mit was er sich am wohlsten fühlt. Welche ich hier vorstelle sind die drei, mit denen man Wandern gehen kann:
1. Das Tragetuch
Tragetücher bestehen aus verschiedenen Webtechniken, sodass der Stoff von sehr feinem bis hin zu gröberen Garn reicht. So viele Webarten es gibt, so viele Materialien gibt es, Hanf, Baumwolle, Leinen, Seide und Wolle. Zu welcher Tuchart man greift, ist persönliches Empfinden und hängt zudem vom Gewicht des Kindes ab. Genauso gibt es einen Unterschied zwischen elastischen und festen Tüchern und verschieden Längen, je nach Größe des Tragenden. Du siehst also, eine Beratung ist lohnenswert. Ich hatte damals ein festes Jacquardtuch mit 4,60 m Länge und war diesbezüglich sehr zufrieden.
2. Die Fullbuckle- Trage
Die “Rucksack- Variante” ist wohl die beliebteste und einfachste Variante, sein Kind in einer Tragehilfe zu tragen. Sie besteht aus einem Klicksystem, ganz ohne Binden. Die Schnallen am Hüftgurt, um deine Schultern und um den Körper des Kindes können mit Schlaufen ganz individuell eingestellt werden. Gibt es zwei Personen, die eine Trage abwechselnd benutzen, müssen die Schnallen immer neu eingestellt werden, was aber in der Regel schnell passiert ist.
3. Die Halfbuckle- Trage
Der “Hybrid” unter den Tragen. Der Hüftgurt wird wie bei der Fullbuckle mit Hilfe eines Klicksystems geschnallt, die Träger werden allerdings gebunden. So kann das Kind auch richtig schön “hoch” gebunden werden. Dies ist sehr zu empfehlen, wenn das Kind am Rücken des Tragenden sitzt. Auch bei Paaren, die sich eine Trage teilen ist das Anpassen noch schneller passiert, denn die Träger werden bei jeder Benutzung neu gebunden. Das Rückenteil der Trage besteht meist aus Tragetuchstoff und ist dadurch besonders elastisch und angenehm für den kleinen Tragling. Alternative: Bei der Mei Tai wird auch der Hüftgurt gekotet.
Meine Erfahrungen mit den Tragehilfen
Mit einem Tuch kamen mein Sohn und ich leider nicht wirklich klar. Ich war klatschnass geschwitzt und mein Sohn sauer, bis ich ihn endlich an mir festgebunden hatte. Durch eine Trageberatung kam ich dann auf die Ruckeli* Slum Fullbuckle- Trage, die den gleichen Effekt hat wie ein Rucksack und für uns perfekt ist, wenn es mal wieder schnell gehen muss.
Da ich Mutter eines Speikindes bin, musste bald eine zweite Trage her. Hier entschied ich mich für eine LIMAS Plus* Halfbuckle, die ich sehr liebe. Eine Halfbuckle- Trage hat einen Hüftgurt, die Träger hingegen werden gebunden und können so individuell an den Tragenden und den Tragling angepasst werden. Auch sehr zu empfehlen, wenn sich beide Elternteile beim Tragen abwechseln. Das Rückenteil ist dabei so elastisch wie ein Tuch, was das Tragen angenehm macht und den kleinen Tragling gut “beutelt”. Dass ich zu dieser Trage kam, habe ich aber auch nur der kompetenten Beratung im Fachhandel zu verdanken.
Mehr als nur Tragen
Seit mein Sohn etwa acht Wochen alt ist, betreiben wir regelmäßig Kangatraining. Bei dieser Trainingsform wird Sport gemacht, bei der etwa die Hälfte der Trainingsstunde das Kind in der Trage sitzt. Dass eine Trage also auch vielseitig eingesetzt werden kann und mitunter einiges aushalten muss, wird hier bestens unter Beweis gestellt werden. Kaum in der Trage festgeschnallt, schlief er zu Beginn sehr schnell ein, obwohl ich mit ihm bei lauter Musik durch die Sporthalle “hüpfte”. Jetzt, mit acht Monaten, will er lieber wach bleiben und versucht aus der Trage zu entkommen, um in der Ecke mit dem Spielzeug zu spielen. Das Kangatraining ist eine wunderbare Art, mit Spaß wieder fit zu werden und zu bleiben, ohne einen Babysitter zu brauchen.

Fazit
- Menschenkinder sind Traglinge, ein Kind zu tragen, entspricht also seiner Natur und seinem Urinstinkt
- Bitte, bitte, bitte vor dem Kauf einer Trage eine Trageberatung in Anspruch nehmen oder in einen kompetenten Fachhandel mit Beratung gehen
- Unbedingt auf die Anhock-Spreiz-Haltung (M-Form) achten
- Steg geht von Kniekehle zu Kniekehle
- Um Babytragen, die das Kind nach vorne schauen lassen, einen riesengroßen Bogen machen
- Ab etwa sechs Monate bzw. wenn es den Kopf selbstständig halten kann (jedes Kind ist anders!!), kann das Kind auf den Rücken

Weiterführende Links
- https://rabeneltern.org/index.php/wissenswertes/tragen-wissenswertes/1190-menschenkinder-sind-traglinge
- https://www.hebammenblog.de/babys-richtig-tragen-hintergruende-produktempfehlungen/
- https://helden-tragen.de/
- https://www.babytragetuch-info.de/
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Schöner Artikel.
Ich bin selbst Mama und Trageberaterin und freue mich einfach über jede Mama und natürlich ganz besonders über jeden Papa, die sich für das Tragen ihres Babys entscheiden. Ich schließe mich dir voll und ganz an das eine gute Trageberatung wirklich Gold wert ist und so manchen Heulanfall verhindern kann 😉
Eine kleine Korrektur nur: auf dem Rücken kann mit der passenden Trageweise schon ab Geburt getragen werden! Bietet sich besonders im Sommer und bei mehreren Kindern an.
Viele liebe Grüße.
Hallo Michele,
vielen Dank für deinen Kommentar! Wow, schon ab Geburt? Das ist ja toll. Ehrlicherweise hätte ich es mich wohl nicht getraut. Ich hatte die erste Zeit immer Angst, am Kind etwas ‘kaputt’ zu machen und musste mich ständig vergewissern, dass er noch atmet ? aber sehr gut zu wissen, danke dir!!
Liebe Grüße Sarah
Sehr guter, hilfreicher Beitrag ohne Werbung für eine Trage. Eventuell sollte noch erwähnt werden, dass Hände und Füße besonders vor Erfrierungen bei kaltem Wetter geschützt werden müssen.
Vielen Dank! Zum Thema richtig anziehen insbesondere im Winter wird es vermutlich noch einen eigenen Beitrag geben. Aber stimmt, es ist ein wichtiges Thema. Dankeschön ?
Hi,
hast du einen Tipp wie ich den Sonnenschutz in Rückenposition anbringe?Ich finde keine Anleitung und komme mit den Händen nicht an.Kann ich das irgendwie vorher vorbeireiten, ohne dass es mein Kind stört?
Mein Kind kippt nach hinten, wenn es einschläft.
Hi Inna!
Im Vorfeld vorbereiten klappt meist nicht so gut, mein Sohn bekommt auch im wachen Zustand vom Sonnenschutz die Krise. Ich habe einen Bendel immer seitlich genommen, dann meinen Arm angewinkelt und hochgezogen. Dann den anderen Bendel geschnappt. Wichtig ist dabei, immer in Bewegung zu bleiben und das Kind zu wiegen, damit es auch wieder einschläft, falls es doch aufwacht. Ist manchmal eine kleine Fummelarbeit 😃
Ich hoffe, ich konnte dir so weiterhelfen!?
Liebe Grüße Sarah